Mein Ural 6x6
Die Idee:
Schon während meiner Bundeswehrzeit träumte ich beim Wachgang durch den T-Bereich davon, einen alten
MAN ("Emma") zu besitzen, aber zu viel hielt mich immer davon ab.
Jahrelang musste ich mit ansehen, wie Freunde und Bekannte mit Wohnmobilen auf Allrad-LKW Basis tolle Urlaube und viel
Spaß hatten, ich war zwar oft dabei, aber ohne eigenes Mobil. Die Fahrten mit Jörgs W50 waren immer ein Erlebnis
und nährten mein öliges Verlangen...
Eins wusste ich nämlich schon immer ganz genau: Irgendein grosses Fahrzeug musste her, und es musste eine richtige
Motorhaube und Allradantieb haben.
Ich habe viel hin- und herüberlegt und habe nie das richtige Fahrzeug
für mich gefunden. Entweder waren sie für mein Empfinden zu klein, zu schwer, zu teuer, zu langsam, zu alt, zu
laut...es war schwierig.
Ein heisser Favorit war auch ein Mercedes Haubenlaster, aber die Preise haben in den letzten Jahren so
barbarisch angezogen, daß allein die Preisvorstellungen mancher Händler einen Schaudern liessen. Ich will nicht
sagen, daß
alle anderen Fahrzeuge ausser Ural scheisse sind, die Entscheidung für ein bestimmtes Fahrzeug ist eine Komposition
aus
vielen Einzelstimmen und
jeder muß sein perönlich passendes "Deckelchen" finden.
Die hohen Preise für viele Fahrzeuge kommen sicher dadurch
zustande, daß sie mit dem alten Autofüherschein zu bewegen sind. Nach viel Überlegen und
Schnack beim Bier mit anderen Off-Road-Wohnmobilisten kam die Idee. Man kauft einen "richtigen" Laster ohne Kompromisse, der
auch über 7,49t wiegen darf und macht noch den passenden Führerschein dazu. Es ist zwar denkwürdig, aber wahr: Ein Laster innerhalb
der Fahrerlaubnis für Autos ist insgesamt teurer als ein LKW, der mehr wiegt, plus Fahrerlaubnis. Also orientierte
ich mich nicht an den möglichen Gewichten und der leidigen Diskussion: "Geht der auch unter siebeneinhalb Tonnen?", sondern suchte
ein nicht alltägliches Fahrzeug welches mir gefällt. Der nötige LKW-Führerschein ist zwar nicht billig, aber man hat ihn dann eben für immer, wer weiss wozu es noch gut ist.
Ausserdem: Ein abgelasteter 10-Tonner eben ein richtiger LKW und es ist der (eigenen) Sicherheit zuträglich, wenn man im
Besitz der richtigen Fahrerlaubnis für sein Gefährt ist. Was nützt mir ein Laster mit getürkten Wägeprotokollen ohne
Ersatzrad und Seilwinde mit leeren Tanks unter 7,49t wenn man
reisefertig dann doch halb illegal mit 9 tonnen durch die Lande gondelt? Für gewöhnlich passiert ja auch nichts, aber wenn
die Karre nach
einem Unfall mal auf die Waage muß und die zuviel anzeigt, dann hat man gleich noch ein Verfahren wegen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis am Hals, und das ist dann keine Ordnungswidrigkeit mehr!
Die Fahrzeugentscheidung:
URAL hieß des Rätsels Lösung. Das Fahrzeug gilt sicherlich zu Recht als Ausnahmeerscheinung, nicht zuletzt
wegen des schlechten Rufs des hemmungslosen Trunkenboldes und der angeblich untragbaren Fahreigenschaften. Das sollte mich
nicht schrecken, mal so ein angebliches Monster anzuschauen. Vielleicht ist es ja ein Schaf im Wolfspelz? Generell hatte die NVA zwei Typen des Ural im Dienst:
Die meisten Ural, die man bekommen kann sind vom Baumuster 375D. Gerüchten zur Folge sollen ohne Probleme 60
Liter Benzin pro hundert Kilometer durch die Vergaser laufen, ansonsten sind sie aber technisch tadellos und robust.
Die Ural 4320 Diesel sind erheblich seltener und teurer als ihre Benzinerkollegen, liegen aber im Verbrauch
(wiederum nach Gerüchten) so um die 35 Liter Diesel per 100km.
Die Ausführung:
Nach
längerer Suche und Verhandlungen mit dubiosen Anbietern bin ich doch fündig
geworden: Ein gut erhaltener Ural von der NVA mit LAKII-Koffer und erst 3500km auf dem Zähler zu einem sehr
interessanten Preis. Das Interessante an diesem Fahrzeug ist, daß das Fahrgestell in der ehemaligen Sovietunion gebaut wurde,
im Karosseriewerk Aschersleben seinen Auf-und Umbau bekam und bei der Nationalen Volksarmee
der ehemaligen DDR in den Dienst gestellt wurde. Nach dem Mauerfall wurde er aus einem Depot verkauft.
Der nette Verkäufer hat den Ural dann 1994 erstmals in der BRD zugelassen und bot den Ural nun samt
neuer 125er Batterien und einen fast leergeräumten Koffer mit Stromerzeuger an. Freundlicherweise wurde noch
vor der Besichtigung einen Ölwechsel gemacht, damit der Motor auch sicher in gutem Saft steht.
Ich bin mit dem Jörg zur Besichtigung gefahren und war sofort begeistert vom Ural. Er stand super gut da, man sah im
an, daß er nicht getürkt ist. Keine Durchrostungen. Der 7,5kW starke Anlasser hatte nicht viel zu tun, der Motor
sprang sofort an und fand seinen grummelden Achteltakt. Dank des Zweizylinder Luftpressers
waren die Reifen im Nu etwas praller aufgepumpt und wir fuhren eine kleine Runde auf dem Betriebsgelände
des Verkäufers herum. Die Schaltkulisse ist gewöhnungsbedürftig, weil einige
Gänge vertauscht scheinen und der Wendekreis von 22m ist gelinde gesagt eine Frechheit, aber es ist nichts, was man
nicht üben kann. Der Jörg war nach einer Runde auf dem Gelände ziemlich
geschafft, aber auch der Auffassung, daß das Fahrzeug sicher nicht schlecht ist. Drei Tage nach der Besichtigung rief ich Herrn Mohr an
und kaufte die "grüne Perle".
Der Tag der Abholung:
Am 15. März 2002 war es soweit. Bereits an Jörgs Geburtstagsfeier eine Woche zuvor war
Tom spontan und ohne weitere Überredung bereit,
mitzufahren um den Ural abzuholen.
Nach einer ausführlichen Unterhaltung und der Kaufabwicklung fuhren wir bei strahlendem Wetter mit bester Laune und
einem brüllenden Ural in Mayen los. Das passende Tarnnetz für einen Ural mit Anhänger bekomme ich
nachgeliefert. An der Hofausfahrt fiel mir glühend
heiss ein, daß wir vielleicht besser die Kennzeichen am Ural befestigen sollten...
Dann die Fahrt zur Tankstelle *schwitz* mit der bangen Frage: Wieviel wird er wohl brauchen?
Nach den ersten Kilometern auf der Autobahn wollte ich den Ural fast zurückbringen: Er hüpfte und rappelte und
schüttelte und, und, und. Bis Koblenz
allerdings entwickelte sich der Ural mit jedem gefahrenen Kilometer zum echten Leisetreter. Man kann sich im Fahrerhaus bei
Tacho 80 gut unterhalten und der Diesel läuft bei 2200U/Min ganz gut vor sich hin und entwickelt mächtig Dampf.
Nicht zuletzt wegen der drei Achsen fährt der Ural wie auf Schienen. Wegen des angeblich
so astronomischen Verbrauchs und weil er fast sechs Jahre lang nicht richtig bewegt wurde fuhren wir nie über 80km/h.
Laut GPS waren das dann
78km/h. Die einzige
Sorge war der Ladezustand der Batterien: Das Amperemeter klebte am Plusanschlag, die Batterien kochten und aus dem
Batteriekasten stank es beissend nach Säure.
Doch kurz hinter Limburg bekam der Ural wie alle unsere Fahrzeuge akute Zündaussetzer beim Näherkommen an ein Amerikanisches
Schnellrestaurant. Der Ural bog wie
ferngesteuert auf den Parkplatz und war mit einiger Mühe davon abzuhalten durch den Drive-In Schalter zu fahren. Wir entschlossen
uns
zu einer Stärkung und klemmten nach kurzer Überlegung einfach den Laderegler von der Lima ab, damit die Batterien
nicht trockenkochen. Die Fahrt ging
dann auf Kosten der (nagelneuen) Batterien nach Hause. Der Blick in den Tank war beruhigend.
Es fehlte weitaus weniger als erwartet. Dann ging es weiter nach Hause, wo wir von unserer Mutter
mit einem Sektchen begrüsst wurden. Auf der Überführungsfahrt hielten wir
noch schnell im Steinbruch auf der Waage, und die blieb mit leerem Tank bei 10.450kg stehen.......
Der erste Durchblickerlehrgang
Am nächsten Morgen bin ich sofort durch das ganze Fahrzeug gekrochen und habe mich für die
auffallend gross dimensionierte Motorvorwärmung interessiert, die offensichtlich noch nie in Betrieb war.
Nachdem die mangels Benutzung festgegangene Düse gangbar war lief die Heizung, aber wie! Die Hölle ist ein
Grillfeuer dagegen. Der Einsatzbereich der Heizung ist wahrscheinlich sibirischen Verhältnissen angepasst, denn sie pustet
den 1070kg schweren Motor in 10 Minuten handwarm. Die Russen verstehen eben etwas von Dieselmotoren und grosser Kälte.
Im Koffer findet sich enorm viel interresanter Krimskrams (Schraubenschlüssel, tolle Blechstaukästen mit
Ersatzbremsbelägen, ein Satz Schläuche, ein Militär-Funkgerät mit passender 6m-Aluantenne,
die Belüftungsanlage für ABC-Schutz, Starthilfekabel, etc.).
Unter dem Koffer sind die Träger, mit denen der Ural zum Mobilkran umfunktioniert werden kann. Wie das wohl funktioniert?
Insgesamt fällt auf, daß der Ural sehr modern und sinnvoll aufgebaut ist und in Puncto Verarbeitung und Durchdachtheit den West-Kollegen in nichts nachsteht, der Motor hat einzelne Zylinderköpfe aus Leichtmetall
, die Bremsen entsprechen gängigen Standards, nach einer Woche Standzeit ist sogar noch gehörig Druck auf den
Kesseln. Nicht zu vergessen sind auch die Koffer-Standheizung und der hauptinstandgesetzte 4kVA Stromerzeuger.
Mein Ural ist schlichtweg ein Traum, der nun zum Leben erweckt wird!
Wie geht es weiter?
Nun steht der Ural vor der Scheune und wartet darauf in ein wunderschönes Allroad-Wohnmobil verwandelt zu werden.
Die Voraussetzungen dafür könnten nicht besser sein.
Leider sind dem Vorbesitzer einige Sachen aus dem unbeobachteten Fahrzeug geklaut oder beschädigt worden: diverses Werkzeug, Strahlendosimeter, Feuerlöscher, Funkgerät, Zubehör aus den Staukästen, etc.
Ich suche Kontakt zu anderen Ural-Eignern zwecks Erfahrungsaustausch. Wer daran interessiert ist, den bitte ich um eine Nachricht. Danke.
Martin Kerzendorf
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