Das Verteilergetriebe möchte dichter werden



Mein Getriebe sifft ziemlich und soll neue Dichtungen bekommen. Dabei beschäftigt mich noch eine ganz andere Frage: Wie realisiert man eine höhere Gesamtübersetzung zwecks Senkung des Geräuschpegels und des Kraftstoffverbrauches? Man kann an verschiedenen Punkten etwas ändern:

Achsübersetzung:
Es gibt den Ural mit Achsübersetzungen i=7,32 und i=8,90. Bei Fahrzeugen mit Bereifung 14.00-20 sind bereits die 7,32 verbaut. Das Achsmittelstück besteht aus einem komplizierten zweistufigen Getriebe und hat keine Achsvorgelege. Die gesamten 3 Achsen sind also ohne vertretbaren (finanziellen) Aufwand nicht änderbar. Der Platz im Achsmittelstück ist so eng bemessen, daß man an keiner Stelle grössere Zahnräder einbauen könnte.

Schaltgetriebe:
Das Schaltgetriebe ist bereits ein echtes Schnellganggetriebe V. Gang = 0,724:1 da gibt es nichts zu ändern.

Reifen:
Ungern würde ich die sehr weit verbreitete Grösse 14.00-20 wechseln, der Abrollumfang von 15.00-20 oder 16.00-20 wäre auch nicht sensationell grösser. Der Ersatzradhalter müsste auch überarbeitet werden.

Verteilergetriebe:
Der Verteiler hat zwei schaltbare Gänge. Warum nicht die Übersetzung des Strassenganges ändern? Man braucht theoretisch nur zwei neue Zahnräder und genug Platz im Gehäuse.

oben links Krafteingang, unten links zur Vorderachse, unten rechts zu den Hinterachsen



In der Anleitung heißen sie einfach "Zahnräder des hohen Ganges". Aber welche Zähnezahl ist die richtige? Die hauptsächliche Frage war eben die Übersetzung so zu fertigen, daß man einerseits bei Reisegeschwindigkeit 80km/h eine wirtschaftliche Drehzahl erreicht und dann aber auch der Motor noch genügend Kraft hat. Keine einfache Entscheidung. Durch studieren verschiedentlicher Literatur kann man sich auch nur anlesen, wie sich Drehzahl und Drehmoment gegeneinander verhalten, ob diese Berechnungen dann auf ein bestimmtes Fahrzeug auch zutreffen kann einem keiner ausrechnen. Hält das Getriebegehäuse? Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren und ich habe kein zweites Getriebe zum Probieren.

Nochmal Zahlen: Im folgenden kann man das Leistungsdiagramm des Motors sehen.

...so viele Kurven für einen Motor? Die grüne Linie zeigt den Bereich des geringsten spezifischen Verbrauchs von ca 225g/kWh, das Drehmomentmaximum ist dann gerade überschritten. Dort wäre ein Dauerbetrieb am günstigsten.
Im Bereich der roten Linie fährt der originale Ural exakt gestoppte 75km/h, der Tacho zeigt dann 80.

Die ideale Übersetzung sollte folgendes rechnerisches Leistungsmerkmal gegenüber dem Original bringen:

75km/h bei ca. 1800 U/Min (Drehmomentmaximum, geringster spezifischer Verbrauch)
80km/h bei ca. 1900 U/Min statt 2400
Ich entschließe mich erstmal zu einer genauen Bestandsaufnahme, baue neue Radialwellendichtringe ein und überhole die Feststellbremse.


erstmal Oel ablassen Da hängt das Getriebe erstmal in der Werkstatt um neu abgedichtet zu werden. Man sieht die Schmodderspur am oberen Flansch.
Ich habe unterdessen 28 Getriebe- und Zahnradhersteller angeschrieben, daß sie mir ein Angebot für die Anfertigung zweier Zahnräder unterbreiten sollen. Fast alle der erhaltenen Antworten waren Absagen. Entweder verfügt die Firma nicht über die passenden Maschinen, oder kann Einzelstücke nicht herstellen. Einige der Antworten sind halbwegs positiv. Man könne die Räder zwar fertigen, könne aber für nichts und niemanden Garantie übernehmen. Preisansagen um 1500,-EUR bis 3600,-EUR plus Steuer sind auch happig. So viel hat das ganze Auto gekostet. Es gibt keine Rohlinge, man muss alles aus dem Vollen fräsen, härten und schleifen und keiner will garantieren, daß alles passt. Zahnräderbau für Fahrzeuggetriebe ist angeblich etwas völlig anderes als für eine beliebige andere Maschine. Zu viele unberechenbare Faktoren. Man muss viel und weit fahren, um einen Vorteil zu haben. Schließlich bleibt ungewiß ob das Gesamtfahrzeug mit einer immerhin 25% längeren Übersetzung überhaupt noch fahrbar ist? Leider finde ich keinen Ural-Eigner der bereit ist das Risiko zu teilen. Schließlich ist das Projekt mit vielen Euros und Arbeitsstunden bei ungewissem Ausgang verbunden.

Die Abdichtung des Getriebes gestaltet sich nicht so einfach. Wiedermal sind passende Radialwellendichtringe nicht zu bekommen und so werden die Flansche und Gehäusedeckel etwas aufgedreht, damit gute neue Dichtungen von Simrit passen. Die Deckeldichtungen klopfe ich aus Dichtpappe. Nebenher wird mit den Deckeln auch das Axialspiel der Wellen eingestellt. Mit neuer Dichtpappe muß das natürlich wieder richtig gestellt werden. Die russische Messuhr ist standesgemäss. Ich baue das neu gedichtete Getriebe unverändert wieder ein, fahre in den Urlaub an die Ostsee und mache mich erstmal an den Ausbau des Koffers.

Mittlerweile ist das Projekt verwirklicht und der Ural fährt prächtig. Neben der Tatsache dass der Verbrauch sich nach über 10.000km Fahrstrecke zwischen 24 und 28 Litern eingependelt hat ist auch die Geräuschentwicklung drastisch zurückgegangen.


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